Asyl & Integration

Zur Situation der Asylbewerber – nicht nur in Ebersbach

 Ich bin seit Juni 2013 ehrenamtliche Deutschlehrerin für Asylbewerber in Ebersbach. Im hiesigen Asylbewerberheim unterrichte ich Analphabeten und fortgeschrittene Anfänger, weil es hier keine Sprachkurse für die Leute gibt.  Es ist dringend notwendig, dass die Menschen, die zu uns kommen, gleich von Anfang an die Möglichkeit bekommen, die deutsche Sprache zu erlernen. Das würde dem Tagesablauf der Flüchtlinge Struktur geben und wäre eine sinnvolle Aufgabe in der Zeit, in der  sie noch nicht arbeiten dürfen. Es ist ja die Grundlage, später überhaupt Arbeit zu finden. Für die Flüchtlinge müssten „Anreize“ geschaffen werden, damit die Leute regelmäßig am Unterricht teilnehmen. Die Schweden machen es uns vor. Dort gibt es verbindlichen Sprach- und Integrationsunterricht, der an den Unterhalt gekoppelt ist. Die Beschaffung von Unterrichtsmaterial (Bücher, Kopien, Büromaterial, Schreibwaren, Medien) stellt eine finanzielle Herausforderung dar. Zurzeit bestreiten wir Ehrenamtlichen viele finanziellen Hilfen, die die öffentliche Hand nicht leistet, privat.  
Auch die Wohnungsbeschaffung für diejenigen, die nach 24 Monaten aus dem Wohnheim ausziehen müssen, ist sehr schwierig. Das Landratsamt handhabt das sehr bürokratisch und restriktiv, selbst dann, wenn wir durch Organisation von Schenkungen, Ausleihen, Transport und handwerklichen Leistungen dem LRA Kosten ersparen würden. Mehr Flexibilität wäre wünschenswert, denn jeder Fall ist anders! Hilfreich wäre z. B. eine offizielle Stelle, an die wir uns wegen Transporten von geschenkten Möbeln und Hausrat wenden könnten. Sehr wichtig wäre auf Landkreisebene auch ein LENKUNGSKREIS, der alle Akteure und  Initiativen vernetzt, wie es in anderen Landkreisen ( Esslingen, Stuttgart) schon der Fall ist. Dafür müsste im Landratsamt eine Stelle geschaffen werden. Wir Ehrenamtlichen leisten dem Landkreis Hilfe bei der Bewältigung der Probleme.  Ich fühle mich frustriert, wenn unser Engagement behindert wird durch zu viel Bürokratie. Es gibt in dieser Arbeit auch  Probleme, die uns belasten, die wir regelmäßig besprechen und Erfahrungen, die wir austauschen können sollten, um daraus zu lernen. Eine Supervision für uns sollte dringend eingerichtet werden, damit wir  Ehrenamtlichen mental unterstützt werden und nicht ausbrennen und aufgeben. Betrachtet man die „Völkerwanderung“ der jüngsten Zeit, dann wird schnell klar, dass die Probleme und der Aufwand der Ehrenamtlichen noch weiter zunehmen werden.
 Gegen unrealistische Erwartungen vieler Flüchtlinge, die noch in ihren Herkunftsländern sind oder soeben  in Deutschland angekommen sind, sollte in den verschiedenen Sprachen der Herkunftsländer Aufklärung betrieben werden. Die falschen Vorstellungen werden wahrscheinlich durch die Medien und die Schlepperorganisationen genährt. Auf einen europäischen Flüchtlingsgipfel warten alle schon lange. Die Möglichkeit, legal einwandern zu dürfen als Arbeitskräfte , würde die Schlepperkriminalität, die Katastrophen im Mittelmeer und die Zuwanderung der Armutsflüchtlinge aus den Balkanländern eindämmen.  Wenn wir bei der derzeitigen Zuwanderung nicht alle Hebel in Bewegung setzen und für qualitative, frühzeitige Integration sorgen, dann werden wir unlösbare gesellschaftliche Probleme im Land bekommen.
BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN – Ortsverband Ebersbach/Roswitha Spätling

Zum zweiten Mal Chance vergeben – Zuwanderung als Gewinn begreifen

„Mit Blockadepolitik läßt sich keine Zukunft gestalten“…konstatierten die GRÜNEN vor bald zwei Jahren an dieser Stelle . Damals hatte die Mehrheit des Gemeinderates die Schaffung einer Studentenstelle abgelehnt – ohne Alternativen zur Förderung des Integrationsprozesses aufzuzeigen. Jetzt haben wir wieder eine mehrheitliche Ablehnung dieser kostengünstigen, optimal auf Ebersbacher Verhältnisse zugeschnittenen Stelle.  Die Gegenargumente sind wenig schlüssig…und trotzdem sind wir einen kleinen Schritt weitergekommen.. Scheint es. Sind wir das denn wirklich? Schon 2001! Wurde auf Antrag der GRÜNEN nahezu einstimmig die Notwendigkeit einer professionellen Begleitung des Integrationsprozesses bestätigt, erneut 2005 ….seitdem wurden alle ausgearbeiteten Umsetzungsvorschläge vom Tisch gefegt…und wie gesagt, ohne Alternativen aufzuzeigen. Von der Einsicht bis zum politischen Handeln scheint es selbst auf kommunaler Ebene ein weiter Weg zu sein. Bis zur Einigung auf den Minimalkonsens Runder Tisch, hat es 3 Jahre gebraucht. Der sogenannte "Runde Tisch“ ist ein herkömmliches, seit Jahrzehnten übliches Instrument, das alle. Akteure u.a. vernetzen soll. Ebersbach hat sich häufig schon solcher Runder Tische bedient. Auch im Bereich der Integration. Jeder Student des Sozialwesens hätte  zur Erfüllung seiner Teil- Aufgabe „Vernetzung“ als erstes einen fortlaufenden Runden Tisch einberufen. Trotzdem scheint die Erkenntniss, dass etwas getan werden muß, gewachsen zu sein. Bei der Entscheidung für den Minimalkonsens „Runder Tisch“ anstelle der angebotenen optimierten Lösung, drängt sich allerdings die  Befürchtung auf, dass ein echtes Umdenken noch nicht stattgefunden hat. Noch scheint die Mehrheit weit entfernt davon zu sein, Zuwanderung und Integration als Chance für unsere Stadt und unsere Gesellschaft zu sehen. 

Schade….viel Geld für Stadtmarketing, wenig Geld, um aus dem Zukunftsthema Integration eine Erfolgsgeschichte zu machen, die auch nach außen positiv abstrahlt. Noch wird das Thema als Image- und Standortfaktor im Kampf um Bevölkerungswachstum und wirtschaftliche Entwicklung unterschätzt.
Überwiegend wird Integrationspolitik als soziale Reparaturaufgabe gesehen, anstatt die Gewinne einer Zuwanderungsgesellschaft zu erkennen. In einer alternden Gesellschaft brauchen wir Zuwanderer, um die damit verbundenen Probleme in den Griff zu bekommen. Aber es sind nicht nur demografische Gründe, es sind auch wissenschaftlich-technische Entwicklungs- und Innovationsgründe ganz zu schweigen von wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Eine weltoffene Zusammenarbeit wird hier verlangt. . Wir haben kein quantitatives Zuwanderungsproblem, im Gegenteil…unsere Zuwanderungsraten sinken seit Jahren deutlich… uns holen vielmehr die Versäumnisse und Fehler der Vergangenheit ein: keine planvolle, oft bewußt unterlassene Integrationspolitik, Steuerungsfehler, Realitätsverkennungen. Wer so weitermacht, verspielt die Zukunftsfähigkeit Deutschlands im internationalen Kontext. Die Integrationschancen der zweiten und dritten Zuwanderergeneration haben sich verschlechtert. Bis jetzt gelingt es uns z.B. nicht, die Bildungs- und Ausbildungschancen der Zugewanderten durchgängig zu erhöhen. Die Frage lautet schlicht, wie wir eine Gesellschaft gestalten wollen, in der im Jahr 2010 gegen vierzig Prozent der unter 40jährigen einen Migrationshintergrund haben werden. Hier geht es nicht nur um wirtschaftliche Faktoren, es geht auch um den sozialen Zusammenhalt und unsere kulturelle Weiterentwicklung.

Gelingende Integration ist ein Merkmal hoch entwickelter demokratischer Gesellschaften. Noch sind wir weit davon entfernt. Noch mangelt es uns an Einstellungen und Fähigkeiten die wir hierfür brauchen. Noch wird Migration überwiegend als kulturelle Gefahr, nicht als Erweiterung, mehr als Bedrohung denn als Chance, als Belastung, nicht als Bereicherung empfunden. Wir sind seit 5 Jahrzehnten Aufnahmeland und doch stehen wir fast ganz am Anfang. Höchste Zeit, endlich aufzuwachen. Unsere Zukunftsfähigkeit wird davon abhängen, ob wir uns dieser Herausforderung .positiv annehmen und bereit sind, unsere Perspektive zu erweitern.

Der Gemeinderat hat einen kleinen Schritt gemacht. Gewisse Hoffnungen setzen wir in die bewilligte, zeitweilig professionelle Begleitung des Prozesses und natürlich große in das seit vielen Jahren enorme und nicht nachlassende Engagement vieler Menschen beider Seiten am Integrationsprozeß. Hier wird seit vielen Jahren ein aktives Miteinander gepflegt, interkulturelles Lernen, gemeinsames Bearbeiten von Problemen, gegenseitige Wertschätzung und Unterstützung sind zum gelebten Alltag geworden. Von diesen Menschen können wir alle lernen… und über die Studentenstelle sprechen wir ein andermal weiter.

Gabriele Ebensperger           
Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/GRÜNE

Die eigene Geschichte erkunden heißt auch: Wandel zulassen – Grüne Haushaltsanträge Nr. 4 & 5: Geld für Museum und Moschee

  
Die Ebersbacher Geschichte ist lebendig wie noch nie: Nächtliche Führungen auf den Spuren des „Sonnenwirtles“, Camping-Geschichten aus Bünzwangen und dem Rest der Welt, Kunst und Krempel, Osterhasen und Weihnachtsbräuche, Lebensläufe von Einwanderer und Auswanderern. Das lockt Besucher von weither nach Ebersbach. Aber auch die Ebersbacher selbst. Weil es interessant ist zu sehen, dass früher manches anderes war. (Anders auch, als es manchmal erzählt wird.) Und weil es wichtig ist zu wissen, wie sich Ebersbach schon immer verändert hat.

Soviel neues Leben für unsere alte Stadt kommt nicht von selbst. Es liegt maßgeblich am Engagement eines einzelnen: Der neue Museumsleiter Uwe Geiger hat einen furiosen Einstand in Ebersbach gegeben. Er schafft mindestens für zwei – bekommt aber nur eine Teilzeitstelle bezahlt. Das sollten wir dringend ändern – um zu zeigen, dass wir seine Arbeit wertschätzen und nicht zuletzt um tüchtige Leute in der Stadt zu halten.

Die Grünen beantragen deshalb, die Museumsleitung zu einer 100-Prozent-Stelle aufzustocken.
  
Wer so ein bisschen in der eigenen Geschichte herumkommt, der erkennt schnell, dass sich die Stadt schon immer gewandelt hat. Das muss man einfach akzeptieren. Genauso wie jene gesellschaftliche Entwicklung, die neben den großen christlichen Kirchen eine weitere große Religionsgemeinschaft in unserer Stadt hat entstehen lassen.

Sichtbarer Ausdruck ist der Ausbau der Moschee zu einem ansehnlichen muslimischen Gemeindezentrum. Der Rohbau ist nunmehr fast fertig. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um der Türkisch-islamischen Union und allen Moslems in der Stadt mit einer Spende durch die bürgerliche Gemeinde zu signalisieren, dass sie in unserer Stadt willkommen sind wie andere Religionsgemeinschaften auch.

Die Höhe des Zuschusses zum Moschee-Bau, so unser Antrag, sollten wir an der Unterstützung orientieren, die die Stadt bei vergleichbaren Vorhaben auch anderen Glaubensgemeinschaften in der Vergangenheit zukommen ließ.

Joachim Auch

Pauschalurteil nutzt den Falschen

Argumente gegen das Kopftuchverbot am Kindergarten

Ebersbach ist, ehrlich gesagt, nicht sehr berühmt. Jetzt aber droht die kleine Stadt im unteren Filstal unrühmlich in die Geschichte einzugehen: Wegen eines kleinen Stückchen Stoffs. Kaum hatte der Gemeinderat gegen die Stimmen der Grünen ein Kopftuchverbot für  Kindergärten beschlossen, da machte Ebersbach sogleich überregional Negativ-Schlagzeilen. Denn das gibt’s bislang noch nirgends. Aus guten Gründen.

Ein Kopftuchverbot für Erzieherinnen löst kein einziges Problem, schafft aber viele neue. Warum? Das beste Argument stammt von meiner Tochter. Sie meinte: „Die Attentäter vom 11. September trugen doch gar kein Kopftuch!“ Das heißt, man kann am Äußeren nicht wirklich erkennen, wie liberal oder radikal jemand ist –  sei er Christ, Jude oder Moslem. Das Kopftuch ist, wie jedes Symbol, vieldeutig. Und es gibt  viele Gründe, ein Kreuz, einen Davidstern oder ein Kopftuch zu tragen.

Wer sagt, das Kopftuch sei ein Symbol für islamischen Fanatismus oder für die Unterdrückung der Frau, der macht es sich jedenfalls viel zu einfach. Gerade der Ebersbacher Fall zeigt ja, wie persönlich die Gründe für ein Kopftuch sein können. (Zum Hintergrund: Die Tochter war an Leukämie erkrankt, das brachte die Frau ihrem traditionellen Glauben wieder näher.)  Wer sagt, in der Türkei gebe es auch ein Kopftuchverbot an Kindergärten, dem sei entgegnet, dass wir uns gerade in Sachen Religionsfreiheit nicht an der Türkei oder  islamischen Ländern orientieren dürfen.

Die allermeisten Muslime sind nicht streng religiös – genauso wenig wie die Christen. Und das Kopftuch einfach eine kulturell bedingte Tradition. Verallgemeinerungen über Kopftücher und Kopftuchträgerinnen nutzen jedenfalls nur den Scharfmachern – auf beiden Seiten.

Wie sollen wir nun aber mit den unterschiedlichen Kulturen und Religionen umgehen, die es – erfreulicher Weise – in unserer Gesellschaft und deswegen auch in unseren Kindergärten gibt?  So wie andere, größere Städte auch, zum Beispiel Stuttgart. Dort wird nicht pauschal verboten, sondern individuell nachgefragt. Nach praktischen Dingen und nach den Werten, die uns bei der Kindererziehung wichtig sind. Zum Beispiel:  Ob das religiöse Bekenntnis die Gleichbehandlung von Jungen und Mädchen fördert. Ob es einen professionellen partnerschaftlichen Umgang auch mit Vätern erlaubt. Ob es einer zweckmäßigen Kleidung etwa beim Schwimmunterricht entgegensteht.

Das Kopftuch an sich  ist nicht das Problem. Genau so wenig wie die jüdische Kippa oder das Diakonissenhäubchen.  Es geht um den Kopf, der darunter ist:  Ob er andere Weltanschauungen als die eigene zulässt, ja, sogar begrüßt.  Das gilt nicht nur für Erzieherinnen, sondern für uns alle. 

Das Kopftuch verbieten, das Kreuz aber zulassen, das ist jedenfalls ausgeschlossen, wenn wir weiter eine offene, freie,  pluralistische  Gesellschaft bleiben wollen. Und das wollen wir doch, auch in Ebersbach, oder?

Joachim Auch